In der letzten Zeit hat sich viel getan im Projekt. Seit
etwas mehr als einem Monat gebe ich 2 Mal pro Woche Englischstunden für die 5.
und 6. Klassen einer nahen öffentlichen Primaria (also Grundschule) und einmal
für die ältesten Kinder einer Vorschule. Dort habe ich schon viele
interessante, teilweise aber auch sehr erschreckende Erfahrungen gemacht. Es
lässt sich aber grundlegend sagen, dass die Schule hier sehr anders ist, als in
Deutschland. So ist zum Beispiel das Bildungsniveau der Kinder sehr sehr
unterschiedlich, was das Unterrichten auch nicht gerade einfach macht, da manche kaum hinterherkommen,
während der Stoff für andere viel zu einfach ist! In einer Vorschulklasse mit
Vierjährigen musste ich beispielsweise feststellen, dass ein Mädchen nicht einmal
die Farben benennen konnte – auf Spanisch! Da die Kinder im Unterricht hauptsächlich in vorgegebenen Farben
ausmalen müssen, war dieses Mädchen ununterbrochen hoffnungslos überfordert, denn für den Großteil der anderen Kinder
sind Farben natürlich, genauso wie in Deutschland auch, eine
Selbstverständlichkeit, und für mich war diese Wissenslücke erst recht
unvorstellbar...
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Bei der Oración |

Doch auch im Schulalltag ist hier vieles anders als bei uns. So versammeln sich
die Vorschulkinder jeden Morgen und beten 3 verschiedene Gebete und täglich
bringt ein Kind Blumen mit, um den Tisch mit den Heiligenfiguren zu schmücken,
bevor es los in die Klassen geht. Bei den Großen dagegen gibt es einmal im
Monat den sogenannten „Acto Civico“, bei dem
sich alle Schüler der Schule für eine ganze Stunde versammeln, um unter anderem die Nationalhymne
und die Hymne der Flagge (dafür gibt es wirklich ein eigenes Lied!) zu singen.
Was ich am Schulsystem außerdem nicht verstehe, ist, dass die Kinder ab ca. 4
Jahren (bzw. ihre Eltern)selbst entscheiden können, ob sie Kindergarten, Vorschule
und nichts von beidem besuchen (oder das Geld entscheidet…). Am Verhalten der
Vorschulkinder merkt man aber eindeutig, dass sie viel lieber wie die
Kindergartenkinder nur rumtoben und Quatsch machen würden, als
den ganzen Vormittag im Klassenzimmer zu sitzen. Und ob es ihnen wirklich
für ihre Schullaufbahn etwas bringt, ist dann wohl die Frage…
Eine andere Situation, die mich ebenfalls echt geschockt hat, hat sich in den
5. und 6. Klassen (10-14 Jahre) ereignet. Dort brachte ich eine kleine
Weltkarte mit (die Schule selbst hat nämlich nicht mal eine), um mit den
Kindern zu sehen, wo auf der Welt überall Englisch gesprochen wird. Als ich sie
in dem Zusammenhang fragte, wo überhaupt ihre Heimat liege, lag ein Großteil
(sehr abhängig vom Klassenlehrer) ziemlich falsch. So deuteten manche etwa auf
Russland, Afrika oder auch Europa. Auch wenn Guatemala in vielen
Hinsichten eindeutig ein Entwicklungsland ist, dachte ich nicht, dass die Leute so
weltfremd sind und mir wurde in diesem Zusammenhang das erste Mal richtig klar,
WIE schlecht die öffentliche (Aus-)Bildung wirklich ist. Doch dass man hier
nicht viel lernt, ist eigentlich kein Wunder, denn Lehrer werden sehr schlecht bezahlt
und haben häufig dann auch keine große Lust aufs Unterrichten und verlassen ihre
Klasse häufig zwischendurch einfach mal, wenn sie meinen, Wichtigeres zu tun zu
haben. Zusätzlich dazu wird den Lehrern das Arbeiten auch deutlich erschwert, weil sie teilweise vor mehr als 50 Schülern auf einmal stehen müssen, da nicht
genügend Raum für alle ist und deswegen 2 Klassen in einen Raum gequetscht
sind.
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Eine der Mega-Klassen |
Dabei geht längst nicht jedes Kind regelmäßig zur Schule! Hat jemand mal
keine Lust, kommt er einfach nicht und keiner kümmert sich weiter darum und
deshalb gibt es natürlich auch viele, die irgendwann überhaupt nicht mehr
kommen und lieber noch länger schlafen und den ganzen Tag nichts tun. Bei
anderen ist das Problem, dass die Eltern nicht das Geld haben, um Hefte,
Uniform, etc. zu bezahlen, oder die Kinder als
Arbeitskraft gebraucht werden. Das führt dann dazu, dass auch viele Erwachsene,
vor allem aus dem indigenen Bevölkerungsteil, nicht einmal ihren Namen
schreiben können und so - zum Beispiel auch bei uns - mit einem Fingerabdruck
unterschreiben müssen.
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Zu Besuch im "Jardín de la Esperanza" (Garten der Hoffnung) |
Doch nun einmal weiter vom Projekt. Mariajose ist inzwischen zurück und wir
haben für die nächste Zeit viel vor. So wollen wir mit der nahen Primaria ein kleines
Gartenprojekt aufbauen, um den Kindern die Natur und gesunde Ernährung näher zu
bringen. In einem Vorort von Antigua gibt es bereits ein ähnliches Projekt, mit
dem wir zusammenarbeiten und uns Tipps holen wollen. (Siehe:
Garden of Hope) Aber auch an dieser Stelle tun sich wieder die für Guatemala so typischen
Probleme auf. Um das Saatgut zu beschaffen, haben wir uns beispielsweise an das
Ministerium für Landwirtschaft gewendet, da dieses über die nötigen Quellen
verfügt. Weil der Bürgermeister von Dueñas, unter dessen Zuständigkeit auch
das Zentrum fällt, aber nicht von derselben Partei wie die derzeit amtierende
Regierung ist, gibt es von denen keine Unterstützung. Ganz schön dämlich! Und
auch sonst ist dieses Jahr die politische Situation sehr schwierig, was sich
auch auf uns auswirkt. Im Herbst 2015 werden nämlich alle Ämter, vom
Bürgermeister bis zum Präsidenten, neu gewählt und folglich auch viel Wahlkampf
betrieben. Da der aktuelle Bürgermeister von Dueñas nach 3 Amtsperioden
allerdings nicht mehr zur Wahl antritt, hat der natürlich andere Prioritäten
als unser Centro. Außerdem bekämpfen sich die Angehörigen der verschiedenen
Parteien beinahe im wahrsten Sinne des Wortes und heißen selten die Erfolge der
Anderen gut, weshalb bei einem Regierungswechsel auch das gesamte Personal –
von der Putzfrau bis zur persönlichen Sekretärin – erneuert wird und dann
natürlich erst einmal niemand eine Ahnung hat, was eigentlich wie läuft. Chaos
ist also quasi vorprogrammiert! Somit ist auch die Zukunft unseres Zentrums
alles andere als klar…
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Mikroskop-... |
Doch nun einmal weiter mit den Fortschritten im Centro! Der Raum mit den Mikroskopen,
das „Laboratorio de Niños", ist inzwischen fertig eingerichtet, samt Bildschirm,
der Fotos von Mikroskopaufnahmen zeigen sollen. Und seitdem Dieter da ist,
sind
auch unsere Sorgen die Material und Geld betreffen, nicht mehr ganz so
drückend. Wir müssen nicht mehr jedes Mal mit geringer Aussicht auf Erfolg zur
Muni rennen, um dort für irgendetwas zu betteln und durch Dieters Kontakte
läuft alles ziemlich viel besser. Auch das Holz für das Waldxylophon ist
inzwischen bestellt – bei einem Händler aus einem anderen Departamento, wo ich natürlich
alleine nie hingekommen wäre.
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... und Teleskopwand |
Als „Gegenstück“ zu den Mikroskopen haben wir eine Wand mit Teleskopbildern
gestaltet, und auch die Teleskope, die die Muni schon seit mehreren Jahren
besitzt, installiert. Außerdem ist geplant, noch eine Art Turm ans Zentrum
anzubauen, auf dem ein sehr hochwertiges Teleskop, das sich ebenfalls bereits
vor Ort befindet, montiert und zugänglich gemacht werden soll. Das fällt aber
nicht ganz in meinen Aufgabenbereich, da es schließlich auch wenn ich weg bin,
jemanden geben muss, der sich um das Material kümmert.


In einem anderen Raum, der bisher leer stand, soll ein bisschen über die
Tierwelt Guatemalas bzw. der näheren Umgebung erzählt und – was mir nach meinen
Erfahrungen in der Schule besonders am Herzen liegt – etwas über die
verschiedenen Länder der Welt gelehrt werden. Nun fehlen nur noch die Kinder,
die diese Angebote auch wahrnehmen! Um das Projekt etwas bekannter zu machen
und regelmäßiger Benutzer v.a. der Mikroskope zu gewinnen, veranstalteten wir
am vergangenen Freitag eine kleine Vorstellung mit den Lehrern der vielen
unterschiedlichen Schulen von Dueñas. Nun können wir nur noch hoffen, dass das
Ganze auch so angenommen wird, wie wir es uns vorstellen! Einige Kinder
haben die neuen Geräte schon mit sehr viel Interesse ausprobiert, sodass ich sicher
bin, wenigstens an den Nachmittagen kleine Führungen durchführen zu können.
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Vorstellung des "Camino Ecologico" |
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Dueñas Lehrer vor dem Centro |
Zusätzlich fallen natürlich auch weiterhin die ganz alltäglichen Evalationen
von Patienten an, sowie nun, da die Schule ja wieder begonnen hat, auch
„Massenevaluationen“ der Kinder aus den öffentlichen Betreuungseinrichtungen.
Es gibt also viel zu tun!
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Ein schon etwas älteres Bild, das unser Vorgehen
bei Hausbesuchen zeigt |
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Viele Kinder sind so schwach,
dass sie den ganzen Tag nur im Bett liegen können
und dadurch kahle Stellen bekommen |
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Während der Kaffeeernte herrscht Wohnungsmangel... |
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..sodass viele Menschen unter Plastikfolien leben müssen |