Mittwoch, 4. März 2015

Neues Jahr, neues Glück?

In der letzten Zeit hat sich viel getan im Projekt. Seit etwas mehr als einem Monat gebe ich 2 Mal pro Woche Englischstunden für die 5. und 6. Klassen einer nahen öffentlichen Primaria (also Grundschule) und einmal für die ältesten Kinder einer Vorschule. Dort habe ich schon viele interessante, teilweise aber auch sehr erschreckende Erfahrungen gemacht. Es lässt sich aber grundlegend sagen, dass die Schule hier sehr anders ist, als in Deutschland. So ist zum Beispiel das Bildungsniveau der Kinder sehr sehr unterschiedlich, was das Unterrichten auch nicht gerade  einfach macht, da manche kaum hinterherkommen, während der Stoff für andere viel zu einfach ist! In einer Vorschulklasse mit Vierjährigen musste ich beispielsweise feststellen, dass ein Mädchen nicht einmal die Farben benennen konnte – auf Spanisch! Da die Kinder im Unterricht hauptsächlich in vorgegebenen Farben ausmalen müssen, war dieses Mädchen ununterbrochen hoffnungslos überfordert, denn für den Großteil der anderen Kinder sind Farben natürlich, genauso wie in Deutschland auch, eine Selbstverständlichkeit, und für mich war diese Wissenslücke erst recht unvorstellbar...
Bei der Oración
Doch auch im Schulalltag ist hier vieles anders als bei uns. So versammeln sich die Vorschulkinder jeden Morgen und beten 3 verschiedene Gebete und täglich bringt ein Kind Blumen mit, um den Tisch mit den Heiligenfiguren zu schmücken, bevor es los in die Klassen geht. Bei den Großen dagegen gibt es einmal im Monat den sogenannten „Acto Civico“, bei dem sich alle Schüler der Schule für eine ganze Stunde versammeln, um unter anderem die Nationalhymne und die Hymne der Flagge (dafür gibt es wirklich ein eigenes Lied!) zu singen.
Was ich am Schulsystem außerdem nicht verstehe, ist, dass die Kinder ab ca. 4 Jahren (bzw. ihre Eltern)selbst entscheiden können, ob sie Kindergarten, Vorschule und nichts von beidem besuchen (oder das Geld entscheidet…). Am Verhalten der Vorschulkinder merkt man aber eindeutig, dass sie viel lieber wie die Kindergartenkinder nur rumtoben und Quatsch machen würden, als den ganzen Vormittag im Klassenzimmer zu sitzen. Und ob es ihnen wirklich für ihre Schullaufbahn etwas bringt, ist dann wohl die Frage…
Eine andere Situation, die mich ebenfalls echt geschockt hat, hat sich in den 5. und 6. Klassen (10-14 Jahre) ereignet. Dort brachte ich eine kleine Weltkarte mit (die Schule selbst hat nämlich nicht mal eine), um mit den Kindern zu sehen, wo auf der Welt überall Englisch gesprochen wird. Als ich sie in dem Zusammenhang fragte, wo überhaupt ihre Heimat liege, lag ein Großteil (sehr abhängig vom Klassenlehrer) ziemlich falsch. So deuteten manche etwa auf Russland, Afrika oder auch Europa. Auch wenn Guatemala in vielen Hinsichten eindeutig ein Entwicklungsland ist, dachte ich nicht, dass die Leute so weltfremd sind und mir wurde in diesem Zusammenhang das erste Mal richtig klar, WIE schlecht die öffentliche (Aus-)Bildung wirklich ist. Doch dass man hier nicht viel lernt, ist eigentlich kein Wunder, denn Lehrer werden sehr schlecht bezahlt und haben häufig dann auch keine große Lust aufs Unterrichten und verlassen ihre Klasse häufig zwischendurch einfach mal, wenn sie meinen, Wichtigeres zu tun zu haben. Zusätzlich dazu wird den Lehrern das Arbeiten auch deutlich erschwert, weil sie teilweise vor mehr als 50 Schülern auf einmal stehen müssen, da nicht genügend Raum für alle ist und deswegen 2 Klassen in einen Raum gequetscht sind.

Eine der Mega-Klassen
Dabei geht längst nicht jedes Kind regelmäßig zur Schule! Hat jemand mal keine Lust, kommt er einfach nicht und keiner kümmert sich weiter darum und deshalb gibt es natürlich auch viele, die irgendwann überhaupt nicht mehr kommen und lieber noch länger schlafen und den ganzen Tag nichts tun. Bei anderen ist das Problem, dass die Eltern nicht das Geld haben, um Hefte, Uniform, etc. zu bezahlen, oder die Kinder als Arbeitskraft gebraucht werden. Das führt dann dazu, dass auch viele Erwachsene, vor allem aus dem indigenen Bevölkerungsteil, nicht einmal ihren Namen schreiben können und so - zum Beispiel auch bei uns - mit einem Fingerabdruck unterschreiben müssen.
Zu Besuch im "Jardín de la Esperanza" (Garten der Hoffnung)
Doch nun einmal weiter vom Projekt. Mariajose ist inzwischen zurück und wir haben für die nächste Zeit viel vor. So wollen wir mit der nahen Primaria ein kleines Gartenprojekt aufbauen, um den Kindern die Natur und gesunde Ernährung näher zu bringen. In einem Vorort von Antigua gibt es bereits ein ähnliches Projekt, mit dem wir zusammenarbeiten und uns Tipps holen wollen. (Siehe: Garden of Hope) Aber auch an dieser Stelle tun sich wieder die für Guatemala so typischen Probleme auf. Um das Saatgut zu beschaffen, haben wir uns beispielsweise an das Ministerium für Landwirtschaft gewendet, da dieses über die nötigen Quellen verfügt. Weil der Bürgermeister von Dueñas, unter dessen Zuständigkeit auch das Zentrum fällt, aber nicht von derselben Partei wie die derzeit amtierende Regierung ist, gibt es von denen keine Unterstützung. Ganz schön dämlich! Und auch sonst ist dieses Jahr die politische Situation sehr schwierig, was sich auch auf uns auswirkt. Im Herbst 2015 werden nämlich alle Ämter, vom Bürgermeister bis zum Präsidenten, neu gewählt und folglich auch viel Wahlkampf betrieben. Da der aktuelle Bürgermeister von Dueñas nach 3 Amtsperioden allerdings nicht mehr zur Wahl antritt, hat der natürlich andere Prioritäten als unser Centro. Außerdem bekämpfen sich die Angehörigen der verschiedenen Parteien beinahe im wahrsten Sinne des Wortes und heißen selten die Erfolge der Anderen gut, weshalb bei einem Regierungswechsel auch das gesamte Personal – von der Putzfrau bis zur persönlichen Sekretärin – erneuert wird und dann natürlich erst einmal niemand eine Ahnung hat, was eigentlich wie läuft. Chaos ist also quasi vorprogrammiert! Somit ist auch die Zukunft unseres Zentrums alles andere als klar…
Mikroskop-...
Doch nun einmal weiter mit den Fortschritten im Centro! Der Raum mit den Mikroskopen, das „Laboratorio de Niños", ist inzwischen fertig eingerichtet, samt Bildschirm, der Fotos von Mikroskopaufnahmen zeigen sollen. Und seitdem Dieter da ist,
sind auch unsere Sorgen die Material und Geld betreffen, nicht mehr ganz so drückend. Wir müssen nicht mehr jedes Mal mit geringer Aussicht auf Erfolg zur Muni rennen, um dort für irgendetwas zu betteln und durch Dieters Kontakte läuft alles ziemlich viel besser. Auch das Holz für das Waldxylophon ist inzwischen bestellt – bei einem Händler aus einem anderen Departamento, wo ich natürlich alleine nie hingekommen wäre.
... und Teleskopwand
Als „Gegenstück“ zu den Mikroskopen haben wir eine Wand mit Teleskopbildern gestaltet, und auch die Teleskope, die die Muni schon seit mehreren Jahren besitzt, installiert. Außerdem ist geplant, noch eine Art Turm ans Zentrum anzubauen, auf dem ein sehr hochwertiges Teleskop, das sich ebenfalls bereits vor Ort befindet, montiert und zugänglich gemacht werden soll. Das fällt aber nicht ganz in meinen Aufgabenbereich, da es schließlich auch wenn ich weg bin, jemanden geben muss, der sich um das Material kümmert.

In einem anderen Raum, der bisher leer stand, soll ein bisschen über die Tierwelt Guatemalas bzw. der näheren Umgebung erzählt und – was mir nach meinen Erfahrungen in der Schule besonders am Herzen liegt – etwas über die verschiedenen Länder der Welt gelehrt werden. Nun fehlen nur noch die Kinder, die diese Angebote auch wahrnehmen! Um das Projekt etwas bekannter zu machen und regelmäßiger Benutzer v.a. der Mikroskope zu gewinnen, veranstalteten wir am vergangenen Freitag eine kleine Vorstellung mit den Lehrern der vielen unterschiedlichen Schulen von Dueñas. Nun können wir nur noch hoffen, dass das Ganze auch so angenommen wird, wie wir es uns vorstellen! Einige Kinder haben die neuen Geräte schon mit sehr viel Interesse ausprobiert, sodass ich sicher bin, wenigstens an den Nachmittagen kleine Führungen durchführen zu können.

Vorstellung des "Camino Ecologico"
Dueñas Lehrer vor dem Centro


















Zusätzlich fallen natürlich auch weiterhin die ganz alltäglichen Evalationen von Patienten an, sowie nun, da die Schule ja wieder begonnen hat, auch „Massenevaluationen“ der Kinder aus den öffentlichen Betreuungseinrichtungen.
Es gibt also viel zu tun!
Ein schon etwas älteres Bild, das unser Vorgehen
bei Hausbesuchen zeigt

Viele Kinder sind so schwach,
dass sie den ganzen Tag nur im Bett liegen können
und dadurch kahle Stellen bekommen



Während der Kaffeeernte herrscht Wohnungsmangel...
..sodass viele Menschen unter Plastikfolien leben müssen