Sonntag, 31. Mai 2015

Letzte Arbeitstage

Wirklich schnell kam dieser Bericht zwar nicht, aber nun ist er da und das sogar ausführlicher, als am Anfang geplant:
Langsam wird auch mir klar, dass meine Abreise kurz bevorsteht. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Flug und bei so vielen Dingen denke ich mir, dass ich sie jetzt wohl zum letzten Mal tue, sehe, erlebe… Und in die Freude, bald wieder Familie und Freunde zuhause zu sehen, mischt sich ganz klar auch Traurigkeit, mein inzwischen vertrautes Leben in Guatemala zu verlassen. Das alles klingt nun wie die üblichen Klischeewörter zum Abschied, aber ganz genau so ist es nun mal... Doch noch kann ich die letzten Tage und Erlebnisse genießen und hoffe sehr, eines Tages in meine neue, zweite Heimat zurückzukehren. Aber jetzt mal Schluss mit den Abschiedsgedanken, denn auch im Projekt war wieder viel los!
Hygieneaufklärung im Centro
Inzwischen ist unser Zentrum ziemlich gut besucht von Familien und Patienten jeden Alters aus dem ganzen Dorf und sogar aus benachbarten Gemeinden! Denn das Projekt ist durchaus eine Seltenheit und die Menschen fassen immer mehr Vertrauen zur guten Beratung, die nicht ganz selbstverständlich ist. Denn kaum ein Arzt hat von der Erfassung und Auswertung der Daten eine Ahnung, ganz zu schweigen von der weiteren Behandlung. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen sich Familien standhaft weigern, ihre Kinder zu unseren Untersuchungen zu bringen. So zum Beispiel die Mutter von etwa dreijährigen Zwillingen, die vor über einem Jahr durch Zufall entdeckt wurden. Obwohl ein weiteres ihrer Kinder bereits an Unterernährung gestorben ist, sieht diese Frau immer noch nicht ein, warum sie zu uns kommen sollte und auch bei Hausbesuchen ist sie nie anzutreffen. Schließlich hat sich sogar der Bürgermeister eingeschaltet und sie vorgeladen. Bei dieser Gelegenheit habe ich sie das erste Mal gesehen – mit ihrem ziemlich neuen Smartphone in der Hand! Es ist schon unglaublich traurig, wofür die Leute ihr Geld ausgeben, während ihre Kinder verhungern… Doch leider kann man dagegen in unserer Position kaum etwas tun, denn wenn die Eltern unsere Beratung nicht freiwillig annehmen, sind wir machtlos. Man kann die Familien zwar immer weiter versuchen zum Kommen zu überreden, doch Zwingen kann man sie zu gar nichts. Wie so häufig in diesem Land ist auch das wieder eine politische Sache und durch die Wahlen im September besonders brisant.
 Um auch die Kinder dieser weniger überzeugten Eltern zu erreichen, haben wir in der letzten Zeit zusätzlich viele Evaluationen in Schulen und Dorfvierteln durchgeführt. Vor allem in den Schulen fällt einem der Größenunterschied zwischen den Mitschülern auf, der viel größer ist, als beispielsweise in einer deutschen Schulklasse. Einerseits liegt das natürlich daran, dass auch die Altersunterschiede deutlich größer sind als bei uns (in einer 1.Klasse sind wir z.B. auf eine Elfjährige gestoßen, die vorher noch nie in die Schule gegangen war), andererseits hängt das auch mit der chronischen Unterernährung vieler Schüler zusammen. In 70% der Fälle gibt die Größe nämlich den Ernährungsstand der Kinder an.

Gleiches Alter, ganz verschiedene Statur
Evaluation in einer Schule


Dasselbe Problem ist auch bei der Evaluierung der Dorfpolizisten aufgefallen. Von den 14 Ordnungshütern waren gerade einmal zwei größer als ich und keiner hat die 1.65cm erreicht, was in Bayern soviel ich weiß die Mindestgröße ist, um überhaupt in den Polizeidienst aufgenommen zu werden. Trotz der unzureichenden Ernährung im Kindesalter, haben die meisten dieser Polizisten inzwischen mit Übergewicht zu kämpfen – ein weiteres großes Problem der gesamten Gesellschaft.
Das Holzxylofon
Neben den ernährungsberaterischen Tätigkeiten habe ich auch an den anderen Projekten im CMT weitergearbeitet. Das lang angekündigte Holzxylofon wurde letzten Endes fertig gestellt und ist nun bereit, gespielt zu werden, der letzte von vier Bildschirmen wurde montiert, um den Kindern mehr Einblicke in die Pflanzenwelt ihres eigenen Landes zu vermitteln und auch die Mikros- und Teleskope wurden regelmäßig von neugierigen Kindern bestürmt. Das einzige was mir nun Sorgen bereitet, ist, wie diese Installationen nach meiner Abreise noch genutzt werden können, da es niemanden gibt, der Interessierten nachmittags aufschließen oder etwas erklären könnte. Und auch die Lehrer, in die wir ja viel Hoffnung gelegt hatten, haben bis jetzt kein großes Interesse gezeigt, die Geräte in ihren Unterricht einzubinden, da sie nicht wissen, wie sie den Rest ihrer Klasse beaufsichtigen sollen, während maximal vier bis acht Schüler auf einmal die Mikroskope benutzen können. Aber ich hoffe sehr, dass dafür noch eine Lösung gefunden werden kann!
Beim vorbereiten neuen Materials für einen Solarofen

Türen streichen mit
tatkräftiger Unterstützung














Zusätzlich dazu habe ich außerdem meinen Englischunterricht fortgeführt. Zu meiner Überraschung lief der bei den Kleinen nach etwas Eingewöhnung besser, als bei den Älteren. Und auch wenn die Kinder sicher noch keine großartigen Konversationen auf Englisch führen können, habe ich vielleicht bei einigen das Interesse an anderen Sprachen, Ländern und Kulturen geweckt, von welchen sie normalerweise höchstens im Fernsehen etwas mitbekommen.























Sicht auf Duenas vom Cerrito
An meinem letzten Wochenende hier habe ich außerdem noch ganz besonderen Besuch bekommen. Für ein paar Tage waren drei Mitglieder von erlanger Rotarier Clubs da, um den Aufbau eines Wasserprojekts in Dueñas zu unterstützen. Ein Teil des Dorfes, genannt ‘El Cerrito‘ (Hügelchen), bekommt wegen seiner Lage nämlich den halben Tag kein Wasser, da bereits alles auf dem Weg dorthin verbraucht wird. Um dies zu ändern, muss eine Quelle neu erschlossen werden, deren Wasser direkt zum Cerrito geleitet werden soll. Dabei musste natürlich viel besichtigt, gemessen und nachgefragt werden, wobei ich teilweise Übersetzerin spielen dürfte. Jedenfalls war es auch für mich sehr interessant, das Wasser- und Abwassersystem von Dueñas kennenzulernen und zu sehen, wie kompliziert das Vorbereiten und Bauen einer solchen Leitung ist. Mich hat allerdings sehr geschockt, zu erfahren, dass alle Abwässer des Dorfes vollkommen ungeklärt in zwei Flüsse geleitet werden. Doch dies ist sicher keine Seltenheit in Guatemala.