Wirklich schnell kam dieser Bericht zwar nicht, aber nun ist er da und das sogar ausführlicher, als am Anfang geplant:
Langsam wird auch
mir klar, dass meine Abreise kurz bevorsteht. Es sind nur noch wenige Tage bis
zum Flug und bei so vielen Dingen denke ich mir, dass ich sie jetzt wohl zum
letzten Mal tue, sehe, erlebe… Und in die Freude, bald wieder Familie und
Freunde zuhause zu sehen, mischt sich ganz klar auch Traurigkeit, mein
inzwischen vertrautes Leben in Guatemala zu verlassen. Das alles klingt nun wie
die üblichen Klischeewörter zum Abschied, aber ganz genau so ist es nun mal...
Doch noch kann ich die letzten Tage und Erlebnisse genießen und hoffe sehr,
eines Tages in meine neue, zweite Heimat zurückzukehren. Aber jetzt mal Schluss
mit den Abschiedsgedanken, denn auch im Projekt war wieder viel los!
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Hygieneaufklärung im Centro |
Inzwischen ist
unser Zentrum ziemlich gut besucht von Familien und Patienten jeden Alters aus
dem ganzen Dorf und sogar aus benachbarten Gemeinden! Denn das Projekt ist
durchaus eine Seltenheit und die Menschen fassen immer mehr Vertrauen zur guten
Beratung, die nicht ganz selbstverständlich ist. Denn kaum ein Arzt hat von der
Erfassung und Auswertung der Daten eine Ahnung, ganz zu schweigen von der
weiteren Behandlung. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen sich Familien
standhaft weigern, ihre Kinder zu unseren Untersuchungen zu bringen. So zum
Beispiel die Mutter von etwa dreijährigen Zwillingen, die vor über einem Jahr
durch Zufall entdeckt wurden. Obwohl ein weiteres ihrer Kinder bereits an
Unterernährung gestorben ist, sieht diese Frau immer noch nicht ein, warum sie
zu uns kommen sollte und auch bei Hausbesuchen ist sie nie anzutreffen.
Schließlich hat sich sogar der Bürgermeister eingeschaltet und sie vorgeladen.
Bei dieser Gelegenheit habe ich sie das erste Mal gesehen – mit ihrem ziemlich
neuen Smartphone in der Hand! Es ist schon unglaublich traurig, wofür die Leute
ihr Geld ausgeben, während ihre Kinder verhungern… Doch leider kann man dagegen in unserer Position kaum etwas tun, denn wenn die Eltern unsere Beratung nicht freiwillig annehmen, sind wir machtlos. Man kann die Familien zwar immer weiter versuchen zum Kommen zu überreden, doch Zwingen kann man sie zu gar nichts. Wie so häufig in diesem Land ist auch das wieder eine politische Sache und durch die Wahlen im September besonders brisant.
Um auch die Kinder
dieser weniger überzeugten Eltern zu erreichen, haben wir in der letzten Zeit
zusätzlich viele Evaluationen in Schulen und Dorfvierteln durchgeführt. Vor
allem in den Schulen fällt einem der Größenunterschied zwischen den Mitschülern
auf, der viel größer ist, als beispielsweise in einer deutschen Schulklasse.
Einerseits liegt das natürlich daran, dass auch die Altersunterschiede deutlich
größer sind als bei uns (in einer 1.Klasse sind wir z.B. auf eine Elfjährige
gestoßen, die vorher noch nie in die Schule gegangen war), andererseits hängt
das auch mit der chronischen Unterernährung vieler Schüler zusammen. In 70% der
Fälle gibt die Größe nämlich den Ernährungsstand der Kinder an.

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Gleiches Alter, ganz verschiedene Statur |
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Evaluation in einer Schule |
Dasselbe Problem ist auch bei der Evaluierung der Dorfpolizisten aufgefallen.
Von den 14 Ordnungshütern waren gerade einmal zwei größer als ich und keiner
hat die 1.65cm erreicht, was in Bayern soviel ich weiß die Mindestgröße ist, um
überhaupt in den Polizeidienst aufgenommen zu werden. Trotz der unzureichenden
Ernährung im Kindesalter, haben die meisten dieser Polizisten inzwischen mit
Übergewicht zu kämpfen – ein weiteres großes Problem der gesamten Gesellschaft.
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Das Holzxylofon |
Neben den
ernährungsberaterischen Tätigkeiten habe ich auch an den anderen Projekten im
CMT weitergearbeitet. Das lang angekündigte Holzxylofon wurde letzten Endes
fertig gestellt und ist nun bereit, gespielt zu werden, der letzte von vier
Bildschirmen wurde montiert, um den Kindern mehr Einblicke in die Pflanzenwelt
ihres eigenen Landes zu vermitteln und auch die Mikros- und Teleskope wurden
regelmäßig von neugierigen Kindern bestürmt. Das einzige was mir nun Sorgen
bereitet, ist, wie diese Installationen nach meiner Abreise noch genutzt werden
können, da es niemanden gibt, der Interessierten nachmittags aufschließen oder
etwas erklären könnte. Und auch die Lehrer, in die wir ja viel Hoffnung gelegt
hatten, haben bis jetzt kein großes Interesse gezeigt, die Geräte in ihren
Unterricht einzubinden, da sie nicht wissen, wie sie den Rest ihrer Klasse
beaufsichtigen sollen, während maximal vier bis acht Schüler auf einmal die
Mikroskope benutzen können. Aber ich hoffe sehr, dass dafür noch eine Lösung
gefunden werden kann!
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Beim vorbereiten neuen Materials für einen Solarofen |
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Türen streichen mit tatkräftiger Unterstützung |
Zusätzlich dazu
habe ich außerdem meinen Englischunterricht fortgeführt. Zu meiner Überraschung
lief der bei den Kleinen nach etwas Eingewöhnung besser, als bei den Älteren.
Und auch wenn die Kinder sicher noch keine großartigen Konversationen auf
Englisch führen können, habe ich vielleicht bei einigen das Interesse an
anderen Sprachen, Ländern und Kulturen geweckt, von welchen sie normalerweise höchstens
im Fernsehen etwas mitbekommen.
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Sicht auf Duenas vom Cerrito
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An meinem letzten
Wochenende hier habe ich außerdem noch ganz besonderen Besuch bekommen. Für ein
paar Tage waren drei Mitglieder von erlanger Rotarier Clubs da, um den Aufbau
eines Wasserprojekts in Dueñas zu unterstützen. Ein Teil des Dorfes, genannt
‘El Cerrito‘ (Hügelchen), bekommt wegen seiner Lage nämlich den halben Tag kein
Wasser, da bereits alles auf dem Weg dorthin verbraucht wird. Um dies zu
ändern, muss eine Quelle neu erschlossen werden, deren Wasser direkt zum
Cerrito geleitet werden soll. Dabei musste natürlich viel besichtigt, gemessen
und nachgefragt werden, wobei ich teilweise Übersetzerin spielen dürfte.
Jedenfalls war es auch für mich sehr interessant, das Wasser- und
Abwassersystem von Dueñas kennenzulernen und zu sehen, wie kompliziert das
Vorbereiten und Bauen einer solchen Leitung ist. Mich hat allerdings sehr
geschockt, zu erfahren, dass alle Abwässer des Dorfes vollkommen ungeklärt in
zwei Flüsse geleitet werden. Doch dies ist sicher keine Seltenheit in
Guatemala.